Die NSDAP und das Kabinett Hitler
Alexander Fischbach
Die Reichstagswahl vom 6. November 1932 markierte einen entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte der Weimarer Republik und wurde gleichzeitig zum Ausgangspunkt eines beispiellosen politischen Machtwechsels. So war die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) erneut stärkste Kraft im Reichstag, musste jedoch einen empfindlichen Stimmenverlust hinnehmen. Von ihrem bisherigen Rekordergebnis von 37,4 % im Juli 1932 fiel sie auf nur noch 33,1 %, verlor damit über zwei Millionen Stimmen und 34 Mandate. Viele Beobachter sahen darin bereits den Anfang vom Ende ihres politischen Aufstiegs.
NSDAP isoliert und keine Mehrheit
Tatsächlich schien die NSDAP in einer schwierigen Lage. Sie war isoliert, hatte keine Mehrheit im Parlament und lehnte jede Koalition mit anderen Parteien ab. Die politische Landschaft der Weimarer Republik war tief gespalten, stabile Mehrheiten kaum möglich. Die bisher regierenden konservativen Kräfte unter Reichskanzler Franz von Papen hatten sich ebenfalls festgefahren, und auch sein Nachfolger Kurt von Schleicher konnte keine tragfähige Regierung bilden.

NSDAP stellt nur drei von 11 Ministern
In dieser Situation kam es zu einer folgenschweren Entscheidung. Auf Drängen konservativer Eliten – insbesondere des ehemaligen Kanzlers von Papen, der glaubte, Hitler in ein „Kabinett der nationalen Konzentration“ einbinden und kontrollieren zu können – wurde Adolf Hitler am 30. Januar 1933 von Reichspräsident Paul von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt. Obwohl die NSDAP nur drei von elf Ministerposten erhielt, stellte sie mit Hitler an der Spitze den Kanzler, dazu den Innenminister Wilhelm Frick und Hermann Göring als Minister ohne Geschäftsbereich.
Von Papen verrechnet sich
Franz von Papen war sich der Sprengkraft dieser Entscheidung nicht bewusst. In einem später berühmt gewordenen Zitat soll er gesagt haben:
„In zwei Monaten haben wir Hitler in die Ecke gedrückt, dass er quietscht.“ Mit dieser Annahme lag er allerdings alles andere als richtig.
(Dokumentiert u. a. in: Ian Kershaw: Hitler. 1889–1936: Hubris, München 1998)
Vom Reichstagsbrand zur Diktatur
Was als begrenzte Regierungsbeteiligung eines Wahlverlierers gedacht war, entwickelte sich rasch zu einer vollständigen Machtübernahme. Bereits am 27. Februar 1933 – nur vier Wochen nach Hitlers Amtsantritt – brannte der Reichstag. Die Nationalsozialisten nutzten den Vorfall als Vorwand für die sogenannte Reichstagsbrandverordnung, mit der zentrale Grundrechte wie Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit außer Kraft gesetzt wurden. Dennoch fanden in einem Klima der Angst und politischen Gewalt am 5. März 1933 eine erneute Reichstagswahl statt, bei der die NSDAP 43,9 % der Stimmen erreichte, dies war ihr bisher bestes Ergebnis, aber noch immer keine absolute Mehrheit.
Den entscheidenden Schritt zur Diktatur stellte schließlich das Ermächtigungsgesetz vom 23. März 1933 dar. Offiziell „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ genannt, erlaubte es der Regierung, Gesetze ohne Mitwirkung des Reichstags oder des Reichspräsidenten zu erlassen – selbst wenn sie die Verfassung änderten. Zur Verabschiedung dieses Gesetzes war eine Zweidrittelmehrheit im Reichstag notwendig. Selbige erreichte Hitler durch massive Einschüchterung, die Verhaftung kommunistischer Abgeordneter und die Zustimmung der Zentrumspartei.
Mit Notlage zum Verfassungsbruch
In seiner Rede zur Abstimmung vor dem Reichstag sagte Hitler:
„Der Weg der deutschen Nation zur Einheit war lang und schwer. […] Das neue Reich wird den Einzelnen nicht entpersönlichen, sondern ihm das ihm zukommende Vertrauen schenken.“
(Rede Hitlers am 23. März 1933, zitiert nach: Dokumente der deutschen Politik, Band 1)
Einzig SPD stimmte geschlossen gegen das Gesetz. Berühmt wurde der sozialdemokratische Abgeordnete Otto Wels mit seiner Stellungnahme gegen die aufkommende Diktatur, als er erklärte: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.“
(Rede Otto Wels im Reichstag am 23. März 1933)
Mit der Annahme des Gesetzes konnte Hitler nun das Parlament vollständig entmachten und die letzten Reste von Demokratie beseitigen. Die NSDAP, die wenige Monate zuvor noch als Wahlverlierer geschwächt war, hatte durch eine Kombination aus politischem Opportunismus, Gewalt und rechtlichen Tricks die gesamte Staatsgewalt übernehmen können.
Quellen und Literatur:
Ian Kershaw: Hitler. 1889–1936: Hubris. Deutsche Ausgabe: DVA, München 1998.
Heinrich August Winkler: Weimar 1918–1933. Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie. C.H. Beck, München 1993.
Ulrich Herbert (Hg.): Nationalsozialismus. Studien zur Ideologie und Herrschaft. Fischer Taschenbuch Verlag, 1995.
Dokumente der deutschen Politik, Band 1: Die Machtergreifung, Berlin 1935.
Bundeszentrale für politische Bildung (bpb): Dossier Nationalsozialismus und Weimarer Republik.
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