Von Alexander Fischbach
Deutsche Diesel im Tausch für argentinisches Rindfleisch? Zwischen dem 6 und 8. Dezember soll in Montevideo, der Hauptstadt Uruguays, das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den südamerikanischen Staaten des Wirtschaftsbündnisses Mercosur endgültig ratifiziert werden. Damit würde ein fast 25 Jahre andauernder Verhandlungsmarathon beendet.
EU-Kommission, Deutschland, zahlreiche EU-Staaten wie Spanien, Portugal oder die baltischen Länder befürworten einen Abschluss, genauso wie die Länder Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay.
Europaweit gibt es Kritik von Bauern, Umwelt- und Sozialverbänden sowie den Ländern Frankreich, Österreich, Irland und den Niederlanden. Ist diese berechtigt?
Was ist der Zweck des Mercosur-EU-Abkommens?
Im Kern geht es um Handelserleichterung und Abschaffung von Zöllen, unter anderem für Agrarprodukte. Ziel des Paktes ist ein Ankurbeln des Handels mit Fleisch, Zucker, Chemikalien oder Fahrzeugen. Profitieren würden auf der einen Seite die europäische Automobil- und Chemieindustrie sowie die industrielle Großlandwirtschaft Südamerikas.
Der Begriff Mercosur steht als Kürzel für “Mercado Común del Sur”, bedeutet also “gemeinsamer Markt des Südens.“ Gemeint ist damit eine Zollunion und freier Handel in Südamerika. Der 1991 gegründeten Vereinigung gehören Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay und Bolivien an. Bolivien nimmt an den Verhandlungen mit der EU aber nicht teil, dieses Land ist noch kein Vollmitglied des Mercosur. .
Nach der Europäischen Union und der NAFTA (USA, Kanada & Mexiko) ist der Mercosur der drittgrößte Markt der Welt und der größte Markt Südamerikas. Er umfasst rund 278 Millionen Einwohner und etwa 73 Prozent der Fläche Südamerikas. Daher macht sein Wirtschaftsvolumen ihn zu einem attraktiven Handelspartner für Europa. Ob das Abkommen tatsächlich Vorteile für Europa bringt, ist umstritten.

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir ist für einen Abschluss des Abkommens, wünscht sich aber Umweltauflagen. Foto Stefan Röhl / Heinrich-Böll-Stiftung.
Bauern gegen Özedmir
Die deutschen Bauern sehen dies größtenteils anders. Alfons Wolff, Bundessprecher der Vereinigung Freie Bauern, warnt: „Sollte es tatsächlich nach 25 Jahren zu einem Abschluss kommen, trägt diese Bundesregierung die Hauptverantwortung. Dann sind vor allem ihre unglaubwürdigen grünen Minister schuld daran, wenn künftig 100.000 Tonnen Rindfleisch, 180.000 Tonnen Geflügelfleisch und 180.000 Tonnen Zucker aus dem brennenden Regenwald unsere Märkte fluten und unseren Betrieben schweren wirtschaftlichen Schaden zufügen.“
Anders als die Bauern befürchtet das Bundeslandwirtschaftsministerium keine Überschwemmung des europäischen Marktes mit Billig-Importen. „Für sensible Agrarprodukte wie Rindfleisch, Geflügel, Zucker und Ethanol sieht das Abkommen Quoten vor,“ heißt es von dort. Diese Quoten bedeuten allerdings zu einem großen Teil eine 50-prozentige Erhöhung der jetzigen Importe.
Das Ministerium geht weiterhin nicht davon aus, dass die schrittweise Einfuhr von beispielsweise 100.000 t Rindfleisch zu günstigen Bedingungen den Markt innerhalb der EU verändern würde. Ähnlich soll es keine Absenkung von Standards bezüglich der Lebensmittelsicherheit geben. Ein Zusatzabkommen soll auch den tropischen Regenwald vor weiterer Zerstörung bewahren und für nachhaltige Lieferketten sorgen. Die meisten dieser Bestimmungen, die den Vertrag einfließen sollen, sind allerdings nicht in der Weise bindend, dass sie bei Nichteinhaltung sanktioniert werden können. Dies ist einer der Punkte, den zahlreiche Nichtregierungsorganisationen, wie Greenpeace, Brot für die Welt, das Hilfswerk Misereor und andere kritisieren.

Luftbild eines für Monokultur oder Viehhaltung vorbereiteten Gebiets in der Nähe von Porto Velho, Brasilien. 7. August 2020. Foto Bruno Kelly/Amazônia Real
Ein weiteres Schlupfloch für billige Produktion und damit Billig-Importen bietet das internationale Handelsrecht. Grundsätzlich erlaubt dieses keine Berücksichtigung von Unterschieden in den Prozessen- und Produktionsmethoden, falls das Produktionsergebnis „gleichartig“ ist. Dies folgt aus dem allgemeinen Diskriminierungsverbot des Zoll- und Handelsabkommens GATT. Nach vorherrschender Meinung und durch die neuere Rechtssprechung der Welthandelsorganisation WTO kommen nur warenbezogene Kriterien in Betracht.
Umwelt- und Arbeitsschutz schwer durchsetzbar
Ein Beispiel soll das verdeutlichen: Es ist nicht erlaubt, mit bestimmten Hormonen behandeltes Rindfleisch zu importieren, da dies die Beschaffenheit des Produkts selbst ändert. Es ist sehr wohl erlaubt, Rindfleisch zu importieren, das auf neuen Regenwald-Rodungsflächen und unter Ausbeutung der Landarbeiter produziert wurde. Auch die Standards zur Tierhaltung, die hierzulande gelten, können nicht zwingend auf Importfleisch angewandt werden.
Daher forderte auch der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, anlässlich des G 20-Gipfels in Rio de Janeiro im November dieses Jahres eine Neuverhandlung des Agrarteils dieses Abkommens. Seiner Ansicht nach würden durch dieses Abkommen heimische Produkte durch Importe zum Nachteil von Verbrauchern, Landwirten, Umwelt und Klima verdrängt werden. Die Risiken dieses Abkommens für die heimischen Landwirte seien größer als die Chancen, die es böte, heißt es weiter vom Deutschen Bauernverband.

Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, fordert eine Neuverhandlung des Agrarteils des Abkommens. Foto Dr. Frank Gaeth
Frankreich will Abkommen verhindern
Währenddessen protestieren in Frankreich die Bauern gegen dieses Abkommen. Hier wird befürchtet, dass dieses Abkommen große Nachteile für die französische Landwirtschaft mit sich bringen würde. Sie finden Unterstützung bei der französischen Regierung. Diese versucht das Abkommen, das in der kommenden Woche erneut in Uruguay auf der Tagesordnung steht, in letzter Sekunde zu verhindern. Dazu sucht sie Schulterschluss in Polen, Italien, Irland, Österreich und den Niederlanden.
Bundeskanzler Scholz und Wirtschaftsminister Habeck befürworten dieses Abkommen. Letzterer erklärte auf einem Treffen der EU-Wirtschaftsminister im November 2024: „Ich bin heute nach Brüssel gekommen, um bei meinen Kollegen für den baldigen Abschluss der Verhandlungen mit dem Mercosur zu werben.“ Er verweist auf die daraus entstehenden Vorteile für die EU und hiesige Unternehmen.
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich grundsätzlich befürwortend zum Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Mercosur-Staaten geäußert. Er betrachtet dies als wichtigen Schritt für die Förderung des globalen Handels und die Stärkung der Beziehungen zwischen Europa und Südamerika. Allerdings verknüpft Scholz seine Zustimmung mit der Forderung nach klaren und verbindlichen Umwelt- und Klimaschutzauflagen.
Ob er sich durchsetzen kann, bleibt zweifelhaft, denn diverse Nachhaltigkeitsabsichten sind nicht Teil des Abkommens, sondern separat in einem Zusatzpapier festgehalten. Dabei handelt es sich jedoch um nicht durchsetzbare oder sanktionierbare Standards, die Bereiche wie Abholzung, die Wahrung von Menschenrechten sowie Standards für Landwirtschaft und Tierschutz betreffen. Das Dokument sieht außerdem keinerlei Sanktionen bei Verstößen vor.
EU will den USA zuvorkommen
Einen Grund für die neuerliche Eile, das seit 25 Jahren in der Schwebe befindliche Abkommen zu unterzeichnen, sehen hiesige Landwirte auch in der Verbindung zur Wahl des US-Präsidenten Donald Trump. „Die Argumentation von der EU ist folgende“, wird gesagt, „wenn die EU nicht handelt, werden andere Abkommen abschließen, und dann ist Europa im Hintertreffen.“
Da aber dieses Handelsabkommen in der Form, wie es jetzt vorliegt, keinerlei Vorteile für die heimische Landwirtschaft bringe, nütze auch ein jetziger Abschluss nichts. Weder die Versorgungssicherheit mit landwirtschaftlichen Gütern, noch die Überlebensfähigkeit der hiesigen Landwirtschaft würden durch eine Unterzeichnung gestärkt.
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