Václav Havel wird am 21. Februar 1989 verurteilt
Ein Blick in den Kalender von Alexander Fischbach

Am 21. Februar 1989 verurteilte ein Prager Gericht den tschechischen Dramatiker und Bürgerrechtler Václav Havel wegen „Rowdytums“ zu neun Monaten Haft. Dieses Urteil folgte auf seine Teilnahme an einer Gedenkveranstaltung am 16. Januar 1989, dem 20. Jahrestag von Jan Palachs (Siehe Hintergrund am Ende des Artikels) Selbstverbrennung, bei der Havel Blumen am Wenzelsplatz in Prag niederlegen wollte. Die Verhaftung und Verurteilung Havels lösten national und international erhebliche Proteste aus und markierten einen bedeutenden Moment vor den politischen Umwälzungen, die später 1989 den Ostblock erschütterten.

Ein Leben im Widerstand
Václav Havel auf dem Wenzelsplatz, Prag, 17. November 2009, 20. Jahrestag der Samtenen Revolution, 17. November 2009. Quelle: Ben Skála, Wikipedia. Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5/deed.en

Seit den 1960er Jahren prägte Václav Havel das kulturelle und politische Leben in der Tschechoslowakei. Seine politischen Aktivitäten begannen beim Schriftstellerkongress in Prag 1967, wo er die Zensur und die Absurdität des kommunistischen Machtapparats kritisierte. Während des Prager Frühlings 1968 leitete er den „Klub unabhängiger Schriftsteller“ und unterstützte die Reformbewegung unter Alexander Dubček. Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings durch Truppen des Warschauer Pakts im August 1968 widersetzte sich Havel der kommunistischen Gleichschaltung und erhielt in der Tschechoslowakei Aufführungs- und Publikationsverbot. Dennoch erschienen seine Werke im Ausland, besonders im Rowohlt Verlag in Deutschland.

Fünf Jahre im Gefängnis für die Freiheit

Ein entscheidender Schritt in Havels Opposition gegen das Regime war die Mitbegründung der Charta 77 im Jahr 1977, einer Bürgerrechtsbewegung, die Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten in der Tschechoslowakei forderte. Die Veröffentlichung der Charta am 1. Januar 1977 führte zu intensiven staatlichen Repressionen gegen ihre Unterzeichner, darunter Verhaftungen und öffentliche Diffamierung. Havel selbst wurde mehrfach inhaftiert und verbrachte insgesamt etwa fünf Jahre im Gefängnis. Trotz dieser Repressionen blieb er eine zentrale Figur der tschechoslowakischen Opposition.

Das Regime mochte keine Blumen

Die Ereignisse im Januar 1989, die zu Havels Verurteilung führten, spiegeln die sich zuspitzende politische Lage im Ostblock wider. Der 20. Jahrestag von Jan Palachs Selbstverbrennung galt vielen als Symbol des Protests gegen die anhaltende Unterdrückung und als Aufruf zu Veränderungen. Havels Teilnahme an der Gedenkveranstaltung war ein Akt des zivilen Ungehorsams und Ausdruck seiner fortwährenden Forderung nach Freiheit und Menschenrechten. Die staatliche Reaktion auf diese friedliche Geste – seine Verhaftung und Verurteilung – verdeutlichte die Nervosität und Unsicherheit des Regimes angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen.

Ost-Bürgerrechtler machen Druck
Plakat, das Václav Havels Theaterstück Audienz im Oktober 1989 in Breslau, Polen, ankündigt. Quelle: Syclla54, Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de

Die Verurteilung Havels stieß auf breite internationale Kritik. In vielen Ländern, darunter auch in anderen sozialistischen Staaten wie Ungarn und Polen, organisierten Intellektuelle und Bürgerrechtsgruppen Solidaritätsaktionen. In der DDR führten oppositionelle Gruppen am 7. März 1989 einen landesweiten Aktionstag durch, um ihre Unterstützung für Havel und andere politische Gefangene in der Tschechoslowakei zu demonstrieren. Diese grenzüberschreitende Solidarität unterstrich die wachsende Vernetzung und den gemeinsamen Willen zur Veränderung innerhalb der osteuropäischen Dissidentenbewegungen.

Von der Haftentlassung zum Ende des Regimes

Havel wurde bis zum 17. Mai 1989 festgehalten, als er nach anhaltenden Protesten und internationalem Druck auf Bewährung entlassen wurde. Seine Freilassung erfolgte in einer Zeit, in der der politische Wandel in Osteuropa an Dynamik gewann. Nur wenige Monate später, im November 1989, führte die „Samtene Revolution“ in der Tschechoslowakei zum Sturz des kommunistischen Regimes, und Václav Havel wurde am 29. Dezember 1989 zum Präsidenten gewählt. Seine Verurteilung im Februar desselben Jahres erscheint im Rückblick als letzter verzweifelter Versuch eines untergehenden Regimes, eine Stimme der Vernunft und des Wandels zum Schweigen zu bringen.

Die Ereignisse um Václav Havel im Jahr 1989 verdeutlichen die Rolle des zivilen Widerstands im politischen Wandel der Tschechoslowakei. Sie zeigen, wie individuelles Engagement und Beharrlichkeit Einfluss auf gesellschaftliche Entwicklungen nehmen können. Havels Einsatz für Demokratie und Menschenrechte hatte weitreichende Folgen, die weit über seine eigene Person hinausgingen.

Hintergund: Wer war Jan Palach?

Jan Palach, ein 20-jähriger Student der Karls-Universität in Prag, setzte sich am 16. Januar 1969 auf dem Wenzelsplatz selbst in Brand, um gegen die politische Lähmung und Resignation der tschechoslowakischen Gesellschaft nach der Niederschlagung des Prager Frühlings zu protestieren.

Hintergrund: Der Prager Frühling und die Niederschlagung

1968 leitete Alexander Dubček in der Tschechoslowakei eine Reformbewegung ein, die als Prager Frühling bekannt wurde. Ziel war es, den „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ zu schaffen – eine liberalere Form des Kommunismus mit Meinungsfreiheit, weniger Zensur und wirtschaftlichen Reformen. Doch diese Entwicklungen wurden von der Sowjetunion und den anderen Staaten des Warschauer Pakts als Bedrohung angesehen.

Während des sowjetischen Einmarsches in die Tschechoslowakei tragen Tschechoslowaken ihre Nationalflagge vor einem brennenden Panzer in Prag. Quelle: CIA, Wikipedia. Lizenz Public Domain

Am 21. August 1968 marschierten Truppen des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei ein und beendeten die Reformbewegung. Die Besetzung führte zu Frustration und zunehmender Repression. Viele Tschechoslowaken akzeptierten die neue Situation oder passten sich aus Angst an – genau diese Passivität war es, die Palach erschütterte.

Der Protestakt

Am 16. Januar 1969 begab sich Palach mit einem Kanister Benzin und einer Streichholzschachtel auf den Wenzelsplatz. Er übergoss sich mit Benzin und zündete sich an. Schwer verletzt wurde er ins Krankenhaus gebracht, wo er am 19. Januar seinen Verletzungen erlag. Kurz vor seinem Tod erklärte er, dass er nicht vorhatte zu sterben, sondern die Gesellschaft wachrütteln wollte.

In einem Abschiedsbrief bezeichnete sich Palach als „Fackel Nr. 1“, was nahelegte, dass er nicht der Einzige sein würde. Tatsächlich folgten weitere Selbstverbrennungen aus Protest, darunter Josef Hlavatý und Jan Zajíc.

Folgen und Bedeutung

Palachs Tod wurde zu einem Symbol des Widerstands gegen die sowjetische Besatzung. Zehntausende nahmen an seiner Beerdigung teil, die sich zu einer stillen Protestkundgebung entwickelte. Doch die kommunistische Führung unter Gustáv Husák verschärfte die Repressionen weiter, und der „Normalisierungsprozess“ setzte ein, der alle Reformideen des Prager Frühlings zunichtemachte.

Trotz der Versuche des Regimes, Palachs Erbe zu unterdrücken, wurde er nach der Samtenen Revolution von 1989 wieder zu einer nationalen Symbolfigur für Freiheit und Widerstand. Václav Havel und andere Dissidenten beriefen sich oft auf seinen Mut.


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