Analyse und Kommentar von Alexander Fischbach
Wie mithilfe der Brandmauer versucht wird, einen Kanzlerkandidaten unmöglich zu machen

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Es ist ein bisher einmaliger Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, dass einem Kanzlerkandidaten im Wahlkampf eine solch große Protestwelle entgegenschlägt. Ursache hierfür ist die pragmatische Haltung von Merz, der dem Entwurf des von ihm eingebrachten Zustrombegrenzungsgesetzes auch mithilfe von AfD-Stimmen zur Mehrheit und Verabschiedung verhelfen wollte. Die Brandmauer, also das gezielte Abgrenzen von der AfD aller anderen Parteien, sieht er nicht angetastet.
Protest zwischen Unwahrheit und Erpressung
Der ganze Protest ist gespickt mit unhistorischen Vergleichen und hat nichts mehr mit fairem Wahlkampf zu tun. Im Sturmgepäck der Demonstranten ist immer eine Tüte voller Vergleiche mit der Nazizeit, und deren Beginn es zu wehren gelte. So können auch Logik, Verstand und Wissen über Geschichte als Opfer der kommenden Bundestagswahl betrachtet werden.
Linksautonom hilft Ampel
Vorläufiger Höhepunkt war der Besuch von Friedrich Merz an der Uniklinik Köln, die er durch gegen ihn gerichtete Proteste erst 3 Stunden später als geplant und unter Polizeischutz verlassen konnte. Hier hatte spontan (so T-Online) die Studentenvereinigung „kritische Medizin“ zu Protesten gegen den März-Besuch aufgerufen.
Der Arbeitskreis kritische Medizin hat seinen Sitz im linken autonomen Zentrum Köln. In Berlin, Köln, Hamburg, Hannover und anderen deutschen Städten wurden Bürgerbüros oder Kreiszentralen der Union besetzt, Vandalismus, Morddrohungen und Einschüchterungen inklusive.
Fairness war gestern
Das ist jetzt nicht das, was noch am 22. Dezember 2024 als Fairnessabkommen zwischen Union, SPD, FDP, Grüne und Linken vereinbart worden war. Gemeinsam wollten sich diese Parteien von der AfD abgrenzen, gleichzeitig auf persönliche Angriffe sowohl verbal als auch nonverbal verzichten.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht stimmte damals diesem Vorschlag nicht zu, sondern Generalsekretär Christian Leye erklärte gegenüber der Presse, eine solche sei unehrlich, solange die anderen beteiligten Parteien Falschbehauptungen über das BSW verbreiteten. Daher setze das Bündnis auf Selbstverpflichtung.
CDU Hauptgegner der Ampel
Die Proteste richten sich keineswegs gegen die AfD, sondern bei jedem Protest gegen die Alternative für Deutschland ist die CDU mitgemeint. Dabei gibt der am 31. Januar 2025 von der CDU eingebrachte Gesetzentwurf inhaltlich überhaupt keinen Anlass, hier einen Vergleich mit der Rassenpolitik der Nationalsozialisten ziehen.
Entwurf sah Rechtslage von 2023 vor
Der angeblich so umstrittene Entwurf umfasste nur eine Wiederherstellung des Rechtszustandes, der zu Beginn des Jahres 2023, also auch unter der Ampelkoalition, galt. Um nichts weiter ging es. Es ging weder darum, alle abzuschieben, noch ging es darum, irgendwelche Leute von ihren Werkbänken weg in irgendwelche Flugzeuge nach nirgendwo zu zerren, nein, nichts, nichts dergleichen war der Fall. Aber es ist Wahlkampf.
Habeck kritisiert „Wortbruch“
Seither wird auch der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck indes nicht müde, Merz „Wortbruch“ zu unterstellen und erwartet ein Eingeständnis seines Fehlers. Besser wäre es, sich der Frage zu widmen, weshalb man bis 2023 mit einem Gesetz leben konnte, dieses 2023 änderte und dann angesichts einer sich ständig verschlechternden Sicherheitslage zweimal gegen den CDU-Entwurf (einmal bereits im Herbst 2024) zu stimmen, der nichts anderes als die vorherige Rechtslage beinhaltete.

Eigene Versäumnisse eingestehen? -Fehlanzeige
Schon gar nicht ist die Rede davon, wie Habecks Bruder ein Welcome Center für Fachkräfte trotz Millionen-Förderung vom Wirtschaftsministerium nicht ans Laufen bekommt oder wie Habeck den Atomausstieg mit allen Mitteln und auch Falschbehauptungen, forciert hat. Das nur zur Fehlerkultur des Herren Wirtschaftsministers.
In das gleiche Horn tönt auch Rolf Mützenich, auch er wittert wie die gesamte SPD-Bundestagsfraktion einen völligen Tabubruch dadurch, dass die CDU nicht ihren Antrag zurückzog, weil die AfD hätte zustimmen können.
Pose statt Inhalt
Eine ähnliche Form der Unausgewogenheit zwischen eigenem Verhalten und dem der anderen zeigt sich auch in der Debatte am 31. Januar 2025 im Bundestag. Die Parlamentsmehrheit befand sich bereits vollständig im Wahlkampffieber. So trug Linken-Vorsitzende Heidi Rechinneck rein gar nichts an inhaltlicher Kritik gegen diesen Gesetzentwurf vor. Stattdessen warf sie sich in die Pose einer Revolutionärin, die wörtlich dazu aufrief, „auf die Barrikaden“ zu gehen, um ein heraufbeschworenes Viertes Reich, geführt von Friedrich Merz und Alice Weidel, zu verhindern. Populismus pur, auch wenn sie diesen angeblich ablehnt.
CDU darf nicht, was SPD schon lange tut
Pathetisch war’s, und inhaltlich falsch. Genauso wie die zahlreichen Einlassungen von den Grünen oder der SPD, allen voran hier der Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Rolf Mützenich, der eine Zustimmung der AfD als „Sündenfall“ bezeichnete und die CDU aufforderte, das „Tor der Hölle“, wieder zu schließen.
SPD und AfD im selben Boot
Dabei ist dieses Tor zur Hölle auf kommunaler Ebene schon lange offen. Nach Recherchen der „Zeit“ haben in über 40 Fällen, alleine bis 2021, Parteien der Brandmauer mit der AfD abgestimmt, in einigen Fällen waren diese Stimmen sogar entscheidend. Sogar auf Landesebene votierten bereits Vertreter etablierter Parteien mit der AfD. Im September 2020 beantragte die Baden-Württemberger SPD im Landtag, die Duldung integrierter Asylsuchender zu prüfen. Dagegen stimmten die Grünen, zusammen mit CDU und AfD. Der Antrag scheiterte daraufhin.
Was beinhaltete der CDU-Antrag, hier ein Auszug aus den entscheidenden Passagen zum Aufenthaltsgesetz.
- Die im Jahr 2023 gestrichenen Wörter „und Begrenzung“ werden wieder in § 1 Absatz 1 Satz 1 AufenthG aufgenommen. Damit wird das Ziel der Begrenzung der Zuwanderungssteuerung wieder als ausdrückliche übergeordnete Vorgabe für die Anwendung des Aufenthaltsgesetzes festgelegt.
- Angesichts der Aufnahme von mehr als 1,8 Millionen Asylbewerbern und Ukraine-Flüchtlingen seit Anfang 2022 sind die Integrationskapazitäten in Deutschland auf absehbare Zeit in einem Maße erschöpft, dass der Familiennachzug zu Personen mit subsidiärem Schutz bis auf weiteres zu beenden ist.
- Um für eine konsequentere Durchsetzung der Ausreisepflicht von Personen zu sorgen, welche sie in ihrem örtlichen Zuständigkeitsbereich (Bahnhöfe) antrifft, erhält die Bundespolizei im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung eine eigene Zuständigkeit für die Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen. Die Regelung umfasst Drittstaatsangehörige ohne Duldung sowie solche mit einer Duldung wegen fehlender Reisedokumente und erlaubt als aufenthaltsbeendenden Maßnahmen auch die Beantragung von Haft und Gewahrsam zur Sicherung der Abschiebung.
- Für das Tätigwerden der Bundespolizei ist das Einvernehmen der zuständigen Ausländerbehörde erforderlich, es sei denn, dieses kann – zum Beispiel außerhalb der üblichen Geschäftszeiten der zuständigen Ausländerbehörde– nicht sofort hergestellt werden.
- C. Alternativen Keine.
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