Alexander Fischbach

Aufregung um die Redefreiheit
Nach der Ermordung von Charlie Kirk tobt in den Vereinigten Staaten wie auch in Europa eine Debatte über die Grenzen der Meinungsfreiheit. In sozialen Medien wurden zahlreiche Jubelrufe und spöttische Kommentare über den Mord laut. Daraufhin kam es zu Entlassungen, Suspendierungen und sogar zu Einreiseverweigerungen.
Gerade in deutschen Medien sorgt dies für Diskussionen. Kommentatoren verweisen darauf, dass nicht nur Extremisten betroffen seien. Es sind Journalisten, Lehrer oder einfache Angestellte, die ihre Meinung online äußerten. Besonders hervorgehoben wird der Fall des ZDF-Journalisten Elmar Theveßen, dem nach kritischer Berichterstattung über Kirk die Einreise verweigert wurde. Für manche Beobachter ist das ein Warnsignal, dass die US-Regierung in politisch sensiblen Fällen bereit ist, die Meinungsfreiheit faktisch einzuschränken. Doch ist dieser Vorwurf haltbar?
Die weite Definition der Meinungsfreiheit
Die Vereinigten Staaten haben mit dem First Amendment eine der umfassendsten Schutzbestimmungen für freie Rede weltweit. Grundsätzlich gilt: Auch extreme, schockierende oder moralisch fragwürdige Aussagen fallen darunter. Der Kern der Idee ist, dass eine Demokratie selbst Meinungen aushalten muss, die sie ablehnt – solange sie nicht unmittelbar zu Gewalt führen.
Das Grundsatzurteil von 1969
Die entscheidende Leitlinie stammt vom Supreme Court im Fall Brandenburg v. Ohio (1969). Dort urteilte das Gericht, dass Rede nur dann strafbar ist, wenn sie gezielt darauf abzielt, unmittelbar bevorstehende gesetzwidrige Handlungen hervorzurufen, und wenn es wahrscheinlich ist, dass diese eintreten. Diese sogenannte imminent lawless action-Formel bedeutet: Selbst die Befürwortung von Gewalt in abstrakter Form bleibt geschützt, solange sie nicht zum unmittelbaren Handeln anstiftet.
Jubelrufe in sozialen Medien
Nach der Ermordung von Charlie Kirk zeigte sich, wie heikel diese Abgrenzung ist. Auf Plattformen wie X oder Facebook äußerten viele Nutzer offene Freude oder Spott über den Mord. Juristisch betrachtet überschreiten solche Posts meist nicht die Schwelle zur Anstiftung. Sie bleiben nach der Brandenburg-Doktrin verfassungsrechtlich geschützt, auch wenn sie moralisch fragwürdig sind.
Konsequenzen außerhalb des Strafrechts
Dass etwas rechtlich erlaubt ist, schützt aber nicht vor gesellschaftlichen und beruflichen Folgen.
Beispiele:
– Visumsentzug: Auch prominente Personen können betroffen sein. So soll dem ZDF-Journalisten Elmar Theveßen das Visum entzogen werden, nachdem er öffentlich über Kirk berichtet und Einschätzungen abgegeben hatte, die von Regierungsvertretern als „unpassend“ bewertet wurden. Für Ausländer gilt: Sie haben keinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Meinungsfreiheit in den USA, und ihr Aufenthaltsstatus kann jederzeit aus politischen oder sicherheitsrechtlichen Gründen beendet werden.
– Entlassungen nach Posts: Ein Mitarbeiter von Nasdaq, mehrere Lehrer, ein Journalist sowie ein Secret-Service-Agent verloren ihre Stellen. Dies nachdem sie den Mord an Kirk im Netz bejubelten oder spöttisch kommentierten. Begründung: Vertrauensverlust und Unvereinbarkeit mit der jeweiligen beruflichen Rolle.
– Soldaten und Militärangehörige: Auch hier griffen Vorgesetzte hart durch. Anders als Zivilisten haben Soldaten ohnehin eingeschränkte Meinungsfreiheit, wenn ihre Aussagen die Disziplin oder Neutralität der Streitkräfte gefährden.
Keine Eingriffe in die Meinungsfreiheit – aber harte Konsequenzen
Auch wenn viele Stimmen von einer „Einschränkung der Meinungsfreiheit“ sprechen, zeigt der juristische Befund etwas anderes: Das First Amendment wurde nicht verletzt. Weder wurden US-Bürger strafrechtlich verfolgt, noch hat der Staat versucht, Rede unmittelbar zu unterdrücken.
Die Fälle von Jubelrufen, Visumsentzug und Entlassungen verdeutlichen vielmehr ein anderes Spannungsfeld: Die juristische Freiheit der Rede bleibt bestehen, soziale und berufliche Konsequenzen können gravierend sein. Arbeitgeber, Behörden und Gesellschaft ziehen klare Grenzen, auch wenn der Staat selbst keine Zensur ausübt.
Dabei ist ein qualitativer Unterschied wichtig: Es ist nicht dasselbe, wenn jemand eine Regierungspolitik kritisiert und dafür staatliche Sanktionen wie Kontopfändungen oder Berufsverbote erfährt, wie es Kritiker für Deutschland anführen. Oder wenn jemand in sozialen Medien einen Mord bejubelt. Beides bewegt sich auf der Ebene öffentlicher Rede, aber der moralische und politische Kontext ist grundverschieden.
In den USA handelt es sich nicht um Eingriffe in die Meinungsfreiheit, sondern um die Konsequenzen, die Rede in einer polarisierten Gesellschaft nach sich ziehen kann.
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